In letzter Zeit haben wir im Deutschunterricht den Holocaust und die Holocaustliteratur thematisiert. Jeder Schüler hatte eines von drei Büchern gelesen. Ich habe mich dazu entschieden, das Buch "Ist das ein Mensch?" von Primo Levi zu lesen. Besonders eindrücklich empfand ich an diesem Buch, wie Primo Levi dem Leser einen Einblick in die Lagerwirtschaft ermöglicht. Im Arbeitslager Monowitz, in das er deportiert wurde, entstanden regelrechte Börsen. In diesem Abschnitt möchte ich auf diesen Punkt näher eingehen.
Levi beschreibt eindrücklich, wie sich im Lager ein komplexes System des Tauschhandels entwickelte. In einem Umfeld, in dem Geld keine Gültigkeit besass, wurden alltägliche Gegenstände wie Brot, Löffel oder Stoff zu wertvollen Tauschobjekten. Es ist besonders bemerkenswert, wie sich die Preise dieser Güter je nach Verfügbarkeit und Gerüchten über bevorstehende Ereignisse wie den Wäschetausch veränderten. So konnten beispielsweise Stoffstücke, die aus Häftlingsmänteln entnommen wurden, auf dem Schwarzmarkt gegen zusätzliche Nahrungsmittel eingetauscht werden. Sobald ein offizieller Wäschetausch angekündigt wurde, kam es zu einem starken Wertverlust der Stoffe. Dies führte zu Spekulationen und Unsicherheit unter den Häftlingen.
Ein weiterer Aspekt der Lagerwirtschaft war der Handel mit Gegenständen aus dem Besitz verstorbener Häftlinge. Im Krankenbau, nutzten einige Pfleger die Gelegenheit, um die Kleidung und persönlichen Gegenstände der Verstorbenen weiterzuverkaufen.
Levi analysiert diese Phänomene mit bemerkenswerter Sachlichkeit. Er veranschaulicht, wie die extremen Bedingungen im Lager die moralischen Werte der Häftlinge beeinflussten. Die Notwendigkeit, im täglichen Kampf ums Überleben ethische Grundsätze vorübergehend auszusetzen, ist eine Folge der schwierigen Umstände. In dieser Umgebung wurde der Mensch auf seine grundlegenden Instinkte reduziert, was Levi zu der zentralen Frage seines Buches führt: Ist das was ich hier beschreibe wirklich ein Mensch?
Die Darstellung der Lagerwirtschaft in "Ist das ein Mensch?" gewährt einen detaillierten Einblick in die Anpassungsmechanismen der Häftlinge und die Auswirkungen extremer Bedingungen auf das menschliche Verhalten. Durch Levis nüchterne Analyse wird dem Leser ein Verständnis dafür ermöglicht, welche Komplexität das Lagerleben hat und wie die Häftlinge mit moralischen Dilemmata konfrontiert waren.
Im Konzentrationslager Monowitz, das zum Auschwitz-Komplex gehört, gab es eine komplexe soziale Hierarchie unter den Häftlingen. Diese wurde durch die nationalsozialistische Lagerstruktur und die brutalen Lebensbedingungen geformt. In seinem Werk "Ist das ein Mensch?" beschreibt Primo Levi eindrücklich, wie diese Hierarchien das tägliche Leben und Überleben der Menschen beeinflussten.
An der Spitze der Häftlingsgesellschaft standen die sogenannten Funktionshäftlinge, darunter Kapos, Blockälteste und Stubenälteste. Diese Positionen wurden in der Regel an nichtjüdische Häftlinge vergeben, insbesondere an deutsche "Berufsverbrecher", die von der SS als besonders durchsetzungsfähig angesehen wurden. Ihre Aufgabe bestand in der Aufrechterhaltung der Ordnung und Disziplin im Lager. Im Gegenzug erhielten sie Privilegien wie eine bessere Ernährung, Kleidung und Unterkunft. Ihre Machtposition gründete auf der Unterstützung durch die SS, was oft zu einer brutalen Behandlung der ihnen unterstellten Häftlinge führte.
Levi beschreibt, wie diese Hierarchien das Verhalten der Häftlinge beeinflussten. Um den harten Bedingungen in der Haft zu entkommen, strebten viele Häftlinge danach, "Prominente" zu werden. Damit wollten sie Positionen erreichen, die mit gewissen Vorteilen verbunden waren. Dies konnte durch besondere Arbeitsleistungen, Beziehungen zu Funktionshäftlingen oder das "Organisieren" von zusätzlichen Ressourcen erreicht werden. Solche Strategien waren oft die einzigen Möglichkeiten, um den periodischen Selektionen zu entgehen, bei denen schwache und kranke Häftlinge ausgesondert und ermordet wurden.
Die Lagerhierarchie in Monowitz diente somit nicht nur als Instrument der Kontrolle durch die SS, sondern führte auch dazu, dass die Häftlinge sich gegenseitig ausspielen und die Solidarität unterbinden. Im Lager gab es keine Freunde, es gab nur Feinde. Die Gefahr ausgenutzt zu werden war einfach zu gross. Primo Levi war eine Ausnahme. Im letzten Teil seiner Lagerzeit war er gut befreundet mit seinem Bettkameraden, was beiden sozial wie auch ‘wirtschaftlich’ half. Levis Schilderungen zeigen, wie das System der Funktionshäftlinge die moralischen Werte der Insassen untergräbt und das Überleben oft von der Fähigkeit abhing, sich in dieser Hierarchie zu behaupten.